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Hannover ist die Anna-Blumigste Stadt der Welt

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oder: Zeigt stolz und keck Eure Nanabrust!

Über das “Kröpcke-Musical” und dessen Urheber Dirk Grothe

Szene aus dem Kröpcke-Musical

Szene aus dem Kröpcke-Musical

Hannover ist die Anna-Blumigste Stadt der Welt: Was für eine tolle Überschrift! Aber ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken, denn sie ist nicht von mir. Der diese Überschrift schuf, ist ein Dichter. Es ist Dirk Grothe, Macher des hannoverschen Kultur-Cafés Lohengrin und Urheber des Kröpcke-Musicals, das im Februar 2013 seine Premiere feierte. Mit Dichtern ist es ja folgendermaßen: Sie sehen anders und weiter als wir Realitätsknochen und Prinzipienreiter, sie sehen eben „dichter“. Sie sehen Dinge und Figuren, die durchscheinen – aus der Welt Fantasiens in die normale Welt hinein. Grenzenlos, unberechenbar – und dazu bereit, unendliche Mal wieder geboren zu werden, von Geschichte zu Geschichte zu wandern, die ihnen Leben einhauchen. So ist es um die Figuren bestellt, die die Dichter zu sehen vermögen.

Anna Blume: Viel zu schade für ein läppisches Gedicht

Und wir alle müssen zugeben: Die liebreizende Anna Blume ist viel zu schade, um nur in einem läppischen Gedicht aufzutauchen. Das hat ja auch schon der Kurt Schwitters so gesehen, jener unfassbar-genialische Dichter aus Hannover, der Anna gleich mehrere Gedichtbände widmete und sich daran erfreute, dass Anna in den Fantasien vieler weiterer Dichter auf der ganzen Welt herumtanzte – und es bis heute tut. Da verwundert es nicht weiter, dass die besagte Frau Blume eines Tages auch in den Kopf des Dirk Grothe spazierte. „Dirk“, sagte sie, „wir müssen reden. Diese ganzen Affären und dieses in- der-Weltgeschichte-herumgereicht-werden, diese Gedichtfetzen-Hatz, ich habe sie sooo satt. Ich möchte endlich sesshaft werden. Hier in Hannover. Back to the roots. Meinst Du, Du kannst da was für mich arrangieren?“ Dirk Grothe konnte. Und wie!

Das Kröpcke-Musical: Hannover kann Poesie und Ironie

Das, was Dirk Grothe gemeinsam mit seinen Kollegen Agnes Hapsari Retno und Thomas Martin, schrieb und komponierte, wurde ein Musical, eines das in Hannover spielt, rund um den Kröpcke-Platz. Es wurde ein Musical, in dem Anna Blume ganz geduldig ist. Sie wartet, auf ihre große Liebe. Ein ganzes Jahr lang, vier Jahreszeiten. Und während dessen erlebt sie eine Menge, begegnet Gestalten, die in Hannovers Geschichte(n) eine Rolle spielen. Sie trifft Leibniz und Bahlsen, Fritz Haarmann, Max und Moritz, die Nanas, die Kröpcke-Uhr und auch den Leine-Hai. Ob Anna am Ende auch ihre Liebe findet, das soll vorerst geheim bleiben. Ich weiß es selbst noch nicht, denn ich habe bisher nur Ausschnitte aus diesem Musical gesehen. Doch das, was ich gesehen habe, ist äußerst zauberhaft, liebe- und humorvoll, zu Herzen gehend, garniert mit eingängigen Melodien, bisweilen Texten, die fast poetisch-philosophisch anmuten. Die Botschaft von alle dem: Hannover kann Poesie, Hannover kann Augenzwinkern, Hannover kann strahlend schön sein, bunt wie eine Nana-Brust. Wenn wir es zulassen, wenn wir uns Nanabrüsten und nicht weiter erwartungsgemäß brav zugeknöpft bleiben – Hannover, die Messestadt, mausgraues Business, bloß nicht auffallen. Das Kröpcke-Musical zeigt: Im Grunde ist Hannover wie eine bebrillte, unerkannte Schönheit, die richtig sexy wird, wenn sie erst ihre dicke Hornbrille abgesetzt hat.

Dirk Grothe und der Weg zum Kröpcke-Musical

Mission erfüllt: Genau das ist Dirk Grothe mit dem Kröpcke-Musical vorgeschwebt. Schon in den 90er Jahren gärt es in Grothe. „Hannover war eine gesichtslose, unterschätzte Stadt. Ich wollte unbedingt Hannovers schöne Seiten zeigen“, erinnert sich der Autor. Doch das Wie war noch nicht klar. Zwischenzeitlich inszenierte er erfolgreich Theaterstücke, die u.a. in der Werkstatt Galerie Calenberg aufgeführt wurden. Nach einigen Differenzen ließ er etwa 2005 kurzerhand eine eigene Bühne im Café Lohengrin, das von seiner Freundin Christina Tiemeier betrieben wird, bauen und bietet dort seinen Gästen ein buntes Kleinkunstprogramm. „Eines kann ich von mir sagen: Ich habe mich noch nie verschlechtert; alles hat sich evolutionär und organisch weiterentwickelt.“ Jetzt das Kröpcke-Musical, ein Kraftakt, eine Überzeugungstat mit viel Idealismus. Ein Jahr vorbereiten, probieren, Kostüme schneidern, Bühnenbilder kreieren, eine runde Sache draus machen – mit einigen wenigen Partnern, die daran glauben: die Hannoversche Volksbank, die Holländische Kakaostube, Bäckerei Göing und ein Drogeriekonzern. Keine Unterstützung durch die Stadt, nicht einmal ein paar motivierende, anerkennende Worte. „Beim St. Pauli-Musical „Heiße Ecke“ hat das ganz anders funktioniert“, zeigt sich der Autor ein wenig enttäuscht. Und dennoch, wie zum Trotz: es hat funktioniert. Mit nur 15.000 € stellte Dirk Grothe mit seinem Team eine sehenswerte Show auf die Beine. Das Fazit nach der ersten Spielzeit zeigt: Der Aufwand hat sich gelohnt. In den 14 Shows besuchten rund 2500 Menschen das Musical, einige davon mehrfach, weil sie so begeistert waren. Fast jede Show war ausverkauft. Klar, dass es ab August weitergeht. Vielleicht mit noch ein paar weiteren Unterstützern an der Seite? „Ich wünsche mir, dass die Stadt erkennt, dass ein solches Musical ein großes Potenzial hat, um unsere Stadt attraktiver zu machen und unsere Gäste länger an uns zu binden“, kommentiert Dirk Grothe.

Über Lieblingsorte und Bahnhofsverschönerung

Und welches sind seine persönlichen Lieblingsorte in Hannover? „Ach, da gibt es unzählige. Das Reimanns Eck am Maschsee, die Strecke am Mittellandkanal von der List bis nach Anderten, die Eilenriede, ganz oben auf dem Rathausturm stehen und erkennen wie wunderschön grün Hannover ist.“ Freilich gibt es auch einige Plätze, an denen Dirk Grothe einiges aufmöbeln würde: „Es müsste einen Fonds zur Verschönerung der Bahnhofsunterführungen geben und wenn sie schon dabei sind, könnten sie gleich das Areal bei der Spielbank am Raschplatz gleich mit sanieren.“ Aber das Unmittelbarste, mit dem wir die Schönheit Hannovers transportieren können, ist wohl, wenn wir zu dieser Schönheit stehen. Und sie frech und mit einem Augenzwinkern zeigen. Wie eine bunte Nanabrust.


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